Gemein­sa­mes Posi­ti­ons­pa­pier von VER­SO und DTV

Wenn es um die Inter­es­sen­ver­tre­tung von Musik­schaf­fen­den geht, arbei­ten VER­SO – Ver­ei­ni­gung Song­wri­ter (m/w/d) unter dem Dach des Deut­schen Komponist:innenverbands (DKV) und Deut­scher Text­dich­ter-Ver­band e.V., kurz DTV, eng zusam­men. Bei­de sind sich einig: Ohne Urhe­be­rin­nen und Urhe­ber kei­ne Songs, ohne Songs kei­ne popu­lä­re Musik, ohne popu­lä­re Musik kei­ne flo­rie­ren­de Musikindustrie.

Im Febru­ar 2024 haben sich Mit­glie­der der Lei­tungs­teams der bei­den Berufs­ver­ei­ni­gun­gen bei einem Tref­fen in Ber­lin über gemein­sa­me Posi­tio­nen, Zie­le und Stra­te­gien aus­ge­tauscht. Bei­de sind Teil der ECSA (Euro­pean Com­po­ser and Song­wri­ter Alli­ance) mit Sitz in Brüs­sel, die die Inter­es­sen von über 30.000 Musik­schaf­fen­den in Euro­pa ver­tritt, deren in der Regel selbst­stän­di­ge Arbeit aktu­ell mit den Her­aus­for­de­run­gen einer dyna­mi­schen Indus­trie und mit den Fol­gen der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on kon­fron­tiert ist.

Die Umsät­ze der Musik­bran­che haben sich seit dem Jahr 2014 mehr als ver­dop­pelt – von 13 Mil­li­ar­den auf heu­te 28,4 Mil­li­ar­den Dol­lar. Im Rah­men der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on sind Markt­zu­gän­ge erleich­tert wor­den und die Sicht­bar­keit der Künst­le­rin­nen und Künst­ler gestie­gen. Krea­ti­ve Zusam­men­ar­beit, auch über Gren­zen hin­weg, kann heu­te zwar ein­fa­cher und selbst­ver­ständ­li­cher erfol­gen, den­noch ste­hen die Urhe­be­rin­nen und Urhe­ber mas­si­ven Her­aus­for­de­run­gen gegenüber:

Die Bedro­hung kul­tu­rel­ler Viel­falt, die Ent­wer­tung kre­aQ­ver Arbeit, der ent­eig­nen­de Cha­rak­ter der indus­tri­el­len Struk­tu­ren und die feh­len­de Libe­ra­li­sie­rung der finan­zi­el­len Chan­cen sind vier der grund­le­gen­den Probleme.

War­um ist die kul­tu­rel­le Viel­falt bedroht? Das der­zei­ti­ge Pro-Rata-Abrech­nungs­mo­dell auf den rele­van­tes­ten Platt­for­men erfüllt die Erwar­tun­gen der Kon­su­mie­ren­den nicht. Anst­aO die Musik zu ent­loh­nen, die sie ger­ne hören, wer­den die Gel­der in einem Topf gesam­melt und nach Klicks in der Fol­ge an die kom­mer­zi­ell erfolg­reichs­ten Songs ver­teilt. Eine regio­nal rele­van­te Musik wird nie in der Lage sein, ver­gleich­ba­re Klick­zah­len wie ein kom­mer­zi­el­ler, inter­na­tio­nal erfolg­rei­cher Song zu errei­chen. Die Zah­lun­gen der Fans von ent­spre­chend kul­tur­re­le­van­ter Musik bezah­len also nicht die Musik, die sie hören, son­dern die sowie­so erfolg­rei­chen Wer­ke des Mainstreams.

Die­sem Miss­stand begeg­nen wir der­zeit mit För­de­rung aus Steu­er­gel­dern. Es muss dabei aber klar­ge­stellt wer­den: Wir för­dern in die­sem Rah­men ein Sys­tem, das Gel­der fehl­lei­tet und unter­stüt­zen die unge­rech­aer­tig­te Begüns­ti­gung der am Markt sowie­so mäch­ti­gen Stake­hol­der. Eine Kor­rek­tur an die­ser Stel­le ist im hohen Inter­es­se der Gemeinschab.

Bei Betrach­tung der finan­zi­el­len Ent­wick­lung der Bran­che fällt ein ent­schei­den­des Ungleich­ge­wicht auf: Die Ver­dopp­lung der Umsatz­zah­len ist beglei­tet von dem sin­ken­den Wert der Arbeit der Urhe­ber und Urhe­be­rin­nen. 1.000 Klicks waren vor vier Jah­ren noch zehn Euro wert, vor zwei Jah­ren acht Euro – Ten­denz wei­ter sin­kend. Durch die nied­rig­schwel­li­gen Zugän­ge sind Upload­zah­len infla­tio­när gestie­gen (Spo­ti­fy: über 100 Mil­lio­nen Tracks aktu­ell, über 100.000 Uploads pro Tag), und das lei­der auch im Rah­men von Geld­wä­sche, Betrug und rein auf Abschöp­fung von Gel­dern aus­ge­rich­te­ten Sys­te­men. KI-gene­rier­te Musik wird in Mas­sen hoch­ge­la­den und erzeugt pro Song weni­ge Klicks, durch die Mas­se an Uploads sind die Zah­len aber hoch und ermög­li­chen rele­van­te finan­zi­el­le Abschöp­fun­gen. Die Fol­ge: Der Topf wird klei­ner und die grund­le­gen­de und sub­stan­zi­el­le Arbeit von Urhe­bern und Urhe­be­rin­nen entwertet.

Die ent­schei­den­de Fra­ge ist in die­sem Zusam­men­hang: Wo ist das Geld hin­ge­flos­sen? Zu 77 Pro­zent ver­blei­ben der­zeit die Gel­der im Strea­ming inner­halb der indus­tri­el­len Struk­tu­ren, ledig­lich 9,6 Pro­zent erhal­ten die Urhe­be­rin­nen und Urhe­ber. Damit wird der ent­eig­nen­de Cha­rak­ter deut­lich: Der stei­gen­de Wert der schöp­fe­ri­schen Arbeit drückt sich in den mas­siv stei­gen­den Umsatz­zah­len der Indus­trie aus – aller­dings nicht zum Vor­teil der eigent­li­chen Rech­te­inha­be­rin­nen und Rech­te­inha­ber. Es ist drin­gend not­wen­dig, die kom­ple­xen Struk­tu­ren der finan­zi­el­len Abschöp­fung nach­zu­voll­zie­hen und trans­pa­rent zu machen. Gera­de in der deut­schen Gesell­schab spie­len Erfin­dungs­reich­tum, geis­ti­ges Gut und indi­vi­du­el­le Initia­ti­ve eine ent­schei­den­de Rol­le, und die Ent­wick­lun­gen im Rah­men des imma­te­ri­el­len Pro­dukts Musik sind bei­spiel­hab für ande­re Indus­trien und die aktu­el­len gesell­schab­li­chen Herausforderungen.

Auf die Libe­ra­li­sie­rung der Zugän­ge muss nun also eine Libe­ra­li­sie­rung der finan­zi­el­len Chan­cen fol­gen. 89 Pro­zent der Urhe­be­rin­nen und Urhe­ber in unse­rer Bran­che sind mit der Ent­loh­nung nicht ein­ver­stan­den (Quel­le: GEMA). Der­zeit bestim­men digi­ta­le Infra­struk­tur und der Besitz von umfang­rei­chen Rech­te­ka­ta­lo­gen die Markt­chan­cen. Die weni­gen ent­schei­den­den Play­er haben der­zeit die Mög­lich­keit, Neu­ent­wick­lun­gen und indi­vi­du­el­le Bestre­bun­gen zu unter­wan­dern oder zu ver­ein­nah­men, und das zu Las­ten der Kon­su­mie­ren­den durch weO­be­werbs­ver­zer­ren­de Ver­tei­lung. Eine finan­zi­ell sta­bi­le Exis­tenz der ein­zel­nen Urhe­be­rin­nen und Urhe­ber ist in der Fol­ge schon heu­te in der Regel nicht mehr gegeben.

Gera­de die Aus­wir­kun­gen gene­ra­ti­ver Künst­li­cher Intel­li­genz auf die Musik­bran­che bil­det hier eine eige­ne Dimen­si­on – sowohl an Vor- als auch an Nach­tei­len. Dies zeigt eine Stu­die, die Anfang 2024 von den Ver­wer­tungs­ge­sell­scha­ben GEMA (Deutsch­land) und SACEM (Frank­reich) mit der For­schungs­grup­pe Gold­me­dia durch­ge­führt wur­de. Dar­in wün­schen sich 95 Pro­zent der Befrag­ten mehr Trans­pa­renz von Unter­neh­men, die KI-Tools ent­wi­ckeln, sowie kla­re Regeln bei der Nut­zung von urhe­ber­recht­lich geschütz­ten Musik­da­ten, mit denen KI-Anwen­dun­gen trai­niert wer­den (sie­he www.gema.de/ki-studie). Es muss sicher­ge­stellt wer­den, dass indi­vi­du­el­le Leis­tung auch eine indi­vi­du­el­le Chan­ce bedeu­tet – und die ansons­ten alter­na­tiv­lo­se Stär­kung der Markt­macht von Plat­tor­men und Struk­tu­ren ein­ge­dämmt wird.

Für die Zukunb brau­chen wir nun kurz­fris­ti­ge Maß­nah­men, die Scha­den abwen­den und ein­däm­men, und lang­fris­ti­ge Rege­lun­gen, die eine Nut­zung der neu­en Tech­no­lo­gien und Mög­lich­kei­ten auf fai­re und gesell­schab­lich ver­träg­li­che Wei­se gewährleisten.

In die­sem Sin­ne pla­nen der DTV und VER­SO in Zukunb eine noch enge­re und mög­lichst kon­stan­te Koope­ra­ti­on, um die for­mu­lier­ten The­men mit Nach­druck vor­an­zu­brin­gen und die Inter­es­sen ihrer Mit­glie­der gegen­über Indus­trie, Poli­tik und Öffent­lich­keit noch bes­ser zu vertreten.

Wir laden Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter von Poli­tik, Musik­in­dus­trie und Medi­en zum Aus­tausch ein. Wir glau­ben, dass eine gesun­de Musik- und Kul­tur­land­schab auch zum Wohl­be­fin­den der

Gesell­schab ins­ge­samt bei­trägt. Dafür müs­sen gute Vor­aus­set­zun­gen bestehen. Aus Sicht von Song­au­torin­nen und ‑autoren besteht aku­ter Handlungsbedarf.

VER­SO — Ver­ei­ni­gung Song­wri­ter (m/w/d) und DTV — Deut­scher Text­dich­ter-Ver­band e.V. ste­hen für nach­fol­gen­de Ziele:

1. Wert­schät­zung für die Men­schen hin­ter den Songs

2. Sen­si­bi­li­sie­rung für die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen für Musik­au­torin­nen und ‑autoren

3. Stei­ge­rung des öffent­li­chen Bewusst­seins für den Wert geis­ti­gen Eigentums

4. Stim­mi­ge recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen im Bereich Künst­li­cher Intelligenz

5. Ver­hin­de­rung von krea­ti­ver Ausbeutung

6. Fai­re Ver­gü­tung von Musik­schaf­fen­den, ins­be­son­de­re im Bereich Streaming

7. Soli­da­ri­tät, Stär­kung, För­de­rung und Ver­net­zung von Song­wri­tern (m/w/d)

Alle, die haupt- oder neben­be­ruf­lich Songs schrei­ben, laden wir ein, uns ken­nen­zu­ler­nen und mit uns zu sprechen.

Mehr Infos unter www.verso.online und www.textdichter-verband.de.

Berlin/Hamburg/Düsseldorf im Mai 2024

Lin­da Stark (VER­SO), Frank Ramond (DTV), Dani­el Flamm (VER­SO), Tobi­as Reitz (DTV), Alex­an­der Freund (VER­SO) (auf dem Foto ver­tre­ten durch Alex­an­der Zuckowski).

Kon­takt:

info@verso.online und kontakt@textdichter-verband.de

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